Bis zu 24 Monatsgehälter kostet es Arbeitgeber, fähige Mitarbeiter zu ersetzen, die gekündigt haben. Das ist teuer, ärgerlich – und vermeidbar. Beispielsweise durch ein offenes Gespräch.Wenn die Faulpelze, Intriganten und Blaumacher kündigen würden – hach, was wäre das schön. „Good riddance“ sagen die Briten: tschüss und auf Nimmerwiedersehen! Leider sind es meist die leistungsstarken Kolleginnen und Kollegen, die aufbrechen zu neuen Ufern. Warum brechen sie auf? Es lohnt sich, sie zu fragen. Niemals wird der Arbeitgeber so ehrliches Feedback bekommen wie von Mitarbeitern, denen offene Worte nicht mehr schaden können. Aus diesem Feedback lässt sich lernen: Was läuft hier falsch, wie könnten wir es besser machen? Wer die Antworten ignoriert, läuft Gefahr, dass schon bald die nächsten Mitarbeiter kündigen.
Das ist frustrierend und vor allem ist es teuer. Das
National Business Research Institute im texanischen Dallas hat überschlagen, wie teuer die Kündigung eines fähigen Mitarbeiters kommt: bis zu 150 Prozent des Jahresgehalts. Das ist in Deutschland ziemlich ähnlich. Die Brühler
Beratungskanzlei Hoerner & Hoerner hat ausgerechnet, dass jede Neubesetzung einer Stelle zwischen sechs und 24 Monatsgehälter an Kosten verursacht.
Es dauert, bis neue Kollegen auf 100 Prozent hochfahren
Bei diesen Kosten geht es um mehr als ums Recruiting, also Stellenausschreibung, Bewerbungsgespräche und eventuell den Einsatz von Headhuntern. Stärker ins Gewicht fällt die Einarbeitungszeit: Neue Kollegen brauchen einige Monate, um Abläufe zu verinnerlichen und sich vom Zuschauer zum komplett leistungsfähigen Akteur zu entwickeln. Und solange die „Neuen“ nicht auf 100 Prozent hochfahren, können auch ihre Kollegen nicht voll durchziehen. Die Produktivität leidet.
Ebenso leidet die Produktivität, wenn versierte Kollegen das Unternehmen verlassen. Nicht nur weil damit auch Know-how abwandert: Jede Kündigung umweht das Flair von „Supertoll ist es hier nicht“ und „Woanders ist es besser“. Derartige Gedanken haben die Kündigenden vielleicht nicht exklusiv. Und plötzlich fragen sich auch ihre Kollegen, ob die Kirschen in Nachbars Garten vielleicht doch besser schmecken …
Der Arbeitsauftrag liegt beim Arbeitgeber
Unternehmen steht es frei, jede Kündigung mit einem Schulterzucken zu begleiten. Meist überdenken Arbeitgeber diese Haltung, sobald sie folgenden Dreischritt beobachten:
- Die Zahl der Kündigungen steigt und damit auch die Fluktuation.
- Die Personalabteilung rechnet vor, wie teuer jede einzelne Kündigung ist.
- Es mangelt an Interessenten, die die freien Stellen besetzen wollen.
Denn es spricht sich herum, wenn das Betriebsklima ständig auf „eisig“ gedimmt wird, Frauen schon beim Recken der Finger an die gläserne Decke stossen oder neue Mitarbeiter monatelang – bildlich gesprochen – nur den Hof fegen dürfen. Weil die Anwesenheit gemessen wird statt der
Leistung. Weil Chefs sich als cholerische Schreihälse ausleben, statt sich
als Mentoren zu profilieren. Weil eigenverantwortung kleingeschrieben wird und BEFEHL UND GEHORSAM gross – darauf kommt insbesondere die
Generation Z überhaupt nicht mehr klar. Wer keine Alternativen weiss, mag das ertragen. Wer Alternativen hat, kündigt.
Konstruktiver Austausch statt Nachtreten
Deshalb ist es für den Arbeitgeber ebenso schmerzhaft wie lehrreich, das offene Gespräch mit Mitarbeitern zu führen, die gekündigt haben. Jeder Jobwechsel hat schliesslich einen Grund. Sobald das Unternehmen um diese Gründe weiss, kann es ansetzen, sie zu verändern. Damit dieser Abgang keine weiteren Kündigungen nach sich zieht.
Themen bei diesen Gesprächen können sein:
- Was hat dem Mitarbeiter / der Mitarbeiterin am besten gefallen und was hat ihn/sie am meisten gestört?
- Was würde der Mitarbeiter / die Mitarbeiterin anders machen? Wie liesse sich der erwünschte Zustand erreichen?
- Welche Strukturen haben sich aus Sicht des Mitarbeiters / der Mitarbeiterin bewährt, welche sollten verändert werden?
Es geht also nicht darum, nachzutreten, das bringt niemanden weiter. Es geht darum, konstruktives Feedback einzuholen. Zugegebenermassen klappt das nur bedingt, wenn der Kündigungsgrund „mein Chef“ ist – wie in der Mehrheit aller Fälle.
Zuhören hilft. Und der Wille, es besser zu machen
Doch selbst eine „Mein Chef“-Kündigung erlaubt hilfreiche Aufschlüsse:
Wer wird im Unternehmen befördert? Wie ist der Umgangston? Wie viele Freiräume haben die Angestellten, wie
selbstverantwortlich können sie arbeiten? Ja, es sind die grossen Fragen und es geht ans Eingemachte. Deshalb lohnen sich diese Gespräche für den Arbeitgeber nur, wenn er willens ist, daraus zu lernen. Und etwas zu ändern.
Das offene Feedback-Gespräch mit Mitarbeitern, die gekündigt haben, ist dabei ein wichtiger Schritt: Es zeigt Interesse und vermittelt Wertschätzung. Das kann zu überraschenden Resultaten führen, etwa wenn frühere Mitarbeiter feststellen, dass die Kirschen in Nachbars Garten doch nicht besser schmecken … und zurückkehren möchten. Dann stehen die Türen offen. Und statt „Good riddance“ heisst es „Welcome back!“