„Das Office ist tot, es lebe das Office“, sagt der New-Work-Experte
Gabriel Rath. Er sieht Corona als historische Chance, um zu erkunden, wie wir künftig zusammenarbeiten wollen. Seine Erkundung beginnt mit dem Blick darauf, wie es früher – also 2019 – war. Als Zentrum des klassischen Büros lokalisiert Rath keineswegs den Schreibtisch, sondern die Kaffeemaschine. „Hier versammelten wir uns mit den Kollegen, lästerten und flirteten, lachten und weinten.“ Und die Chefs? Meinten alles im Griff zu haben. „Man hatte alle Hühner im Stall und konnte nach Herzenslust anweisen“, sagt Rath. „Die Welt war geregelt, der Ameisenhaufen organisiert und die Hierarchie manifestiert.“
Diese geregelte Welt hat Corona erschüttert. Viele Führungskräfte wollen zurück zu früheren Zuständen, während die meisten Angestellten die neue Flexibilität zu schätzen gelernt haben. 61 Prozent von ihnen ist laut einer aktuellen
Sharp-Umfrage wichtig, selbst entscheiden zu können, wann sie wo arbeiten. Laut
Randstad Arbeitsbarometer bevorzugt ein Drittel der Angestellten eine Hybrid-Lösung: mal im Büro, mal im Homeoffice. Nur 9 Prozent wollen dauerhaft von zu Hause aus arbeiten, während umgekehrt ein Sechstel gern komplett aufs Homeoffice verzichten würde. „Homeoffice ist eine Typfrage“, sagt Richard Jager, CEO von Radstand Deutschland. „Mit pauschalen Lösungen tun Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und damit dem eigenen Unternehmen insgesamt keinen Gefallen.“
Kein Homeoffice = kein Interesse
Was allerdings keine Option ist: das kategorische Nein zum Homeoffice, das lange in Unternehmen die Regel war. „Der deutsche Arbeitsmarkt ist heute vielmehr ein Arbeitnehmermarkt“, sagt Randstand-Chef Jager. „Wer für neue und bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiv bleiben will, lässt sich am besten schnell etwas einfallen.“ Denn für 43 Prozent der Deutschen ist die Option auf das Homeoffice laut
Randstad Employer Brand Research 2021 eines der wichtigsten Kriterien bei der Arbeitgeberwahl.
Ein Nein des Arbeitgebers imponiert niemandem mehr. Die Angestellten – und ihre Chefs – haben während der Corona-Pandemie gelernt: Wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg. „Viele haben sich erstmals bewusst gemacht, inwieweit die Arbeitsumgebung sie behindern oder beflügeln kann“, sagt die Trendexpertin
Birgit Gebhardt. Damit sei eine neue Sensibilität auf Mitarbeiterseite gewachsen. Dieser Diagnose stimmt
Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) zu: „Wir haben einen unfassbaren Schub in Bezug auf Digitalisierung und Selbstorganisationsfähigkeit erlebt“, sagt die Leiterin des IAO-Teams „Zusammenarbeit und Führung“. „Die erweiterte Verantwortlichkeit und das dazu erforderliche Vertrauen wurden durchaus auch als motivierend erlebt.“
Die neue Rolle der Führungskräfte
Jetzt wieder an die kurze Leine genommen zu werden, kann daher nur demotivierend wirken. Daher müssen Chefs ihr Führungskonzept überdenken – und nachjustieren. „Das Prinzip ‚Befehl und Gehorsam‘ hat ausgedient“, sagt
Markus Baumanns, Geschäftsführer von Company Companions, im Gespräch mit TAlking Future. Der Chef stehe nicht mehr oben, sondern mittendrin im Zentrum des Geschehens. „Er ist dafür verantwortlich, dass die Zusammenarbeit seiner Mitarbeiter funktioniert und Teams ihre volle Kraft entfalten können.“
Die Weichen sind gestellt. Wir können künftig anders zusammenarbeiten. Wenn es denn alle wollen.